Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

(Letzte Aktualisierung: 13.06.2021)

Schutzbereich

Wo steht die Berufsfreiheit im Grundgesetz?

Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG führt dazu aus:

Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

Dabei handelt es sich um einen einheitlichen Schutzbereich der Berufsfreiheit: Berufswahl und -ausübung bilden demnach eine Einheit, die am Arbeitsplatz stattfindet und mit der Ausbildung beginnt.

Können sich wirklich nur Deutsche auf die Berufsfreiheit berufen?

An sich schon.

Allerdings gewährt die allgemeine Handlungsfreiheit Ausländern im Ergebnis auch das Recht, frei einen Beruf zu wählen. Hier sind lediglich etwas weiter gehende Einschränkungen möglich.

Bei EU-Ausländern führt das EU-Recht (insb. Art. 18 AEUV) dazu, dass sich diese faktisch wie Inländer auf die Berufsfreiheit berufen können.

Gilt die Berufsfreiheit auch für juristische Personen?

Grundsätzlich schon. Allerdings wird hier darauf abgestellt, dass die Erwerbstätigkeit des Unternehmens einem Beruf gleich kommt, den auch eine natürliche Person ausüben könnte.

Gilt die Berufsfreiheit auch für nicht rechtsfähige juristische Personen?

Ja, es wird grundsätzlich nicht unterschieden, ob die Person rechtsfähig ist oder nicht.

Begründet wird dies damit, dass z.B. die nicht rechtsfähige Offene Handelsgesellschaft (OHG) eine typische Rechtsform des Handelsrechts darstellt. Daher wäre es widersinnig, dieser nicht die Berufsfreiheit zu gewähren.

Zudem dient die Gesellschaft gerade der kollektiven und organisierten Berufsausübung des einzelnen Unternehmers, sodass es widersinnig wäre, wenn dieser nur allein, aber nicht gemeinsam mit allen das Berufsgrundrecht in Anspruch nehmen könnte.

Wann ist eine juristische Person im Rahmen des Art. 12 GG inländisch?

Die Grundrechte gelten grundsätzlich nur für inländische juristische Personen. Der Inlandsbezug ist gegeben, wenn der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit in der Bundesrepublik (bzw. in der EU) liegt. Auch, wenn es sich lediglich um eine Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns handelt, kommt es auf die Tätigkeit der Tochtergesellschaft an.

Was ist ein Beruf im Sinne des Artikels 12 GG?

Beruf ist jede auf dauerhaften Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit, die der Schaffung oder Erhaltung einer finanziellen Lebensgrundlage dient.

Unerhebliche ist dabei, ob die Tätigkeit selbständig oder in angestellter Form ausgeübt wird und ob die überhaupt erlaubt ist. Auch muss der Beruf nicht einem traditionell bekannten Berufsbild entsprechen, sondern kann auch in atypischer Tätigkeit bestehen oder selbst „erfunden“ worden sein.

Fallen auch Berufe im staatlichen Bereich unter Art. 12 Abs. 1 GG?

Ja, auch Berufe aus dem öffentlichen Dienst sind von der Berufsfreiheit umfasst. Allerdings genießen die Sonderregelungen in Art. 33 GG Vorrang.

Insoweit gibt es also kein Recht darauf, einen Beruf aus dem staatlichen Bereich zu ergreifen, da es der Staat ist, der diese Stellen einrichtet. Die Berufsfreiheit wird dadurch sichergestellt, dass der Staat bei der Auswahl von Bewerbern zur Berücksichtigung der persönlichen Eignung verpflichtet ist.

Wie weit geht der von Art. 12 GG geschützte Beruf?

Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht nur das Ergreifen des Berufs überhaupt, sondern auch dessen Ausübung in all seinen Facetten.

Dazu gehört insbesondere:

  • die wirtschaftliche Nutzung der angebotenen Leistung
  • der Abschluss eines Vertrags mit dem Kunden und die Festlegung des Preises
  • der organisatorische Betrieb des Unternehmens
  • die Einstellung von Arbeitnehmern und Kündigung
  • Werbung und Information hinsichtlich des Berufs

Ist auch die Wahl der konkreten Arbeitsstelle geschützt?

Ja, auch das unterfällt der Berufsfreiheit.

Die Arbeitsstelle umfasst die näheren Umstände der Berufsausübung, also das Unternehmen, das man betreibt, den Arbeitgeber, den man sich sucht usw.

Ist auch die Wahl der Ausbildungsstelle geschützt?

Grundsätzlich ja, sofern dort notwendige Kenntnisse oder Abschlüsse zum Ergreifen eines Berufs vermittelt werden.

Besteht auch ein Recht auf Zugang zu einer Ausbildungsstelle?

Sofern eine Ausbildungsstelle besteht, kann jeder Bürger den Zugang zu dieser verlangen. Einschränkungen können nur aus vernünftigen Gründen geschehen, bspw. kann eine gewisse Vorbildung vorausgesetzt werden. Ebenso muss der Zugang nicht kostenlos sein, z.B. sind Studiengebühren zulässig.

Gibt es ein Recht auf Arbeit?

Nein.

Kein Bürger hat ein Recht darauf, dass ihm staatlicherseits ein Beruf zugeteilt wird, er eine freie Stelle findet oder er von seinem Traumberuf leben kann.

Auch gibt es keinen Anspruch auf Subventionen, Qualifizierungsmaßnahmen oder andere staatliche Unterstützungsleistungen im Zusammenhang mit dem Beruf.

Einschränkungen

Darf der Staat die Berufswahl überhaupt nicht beeinflussen?

Doch. Es gibt keinen absoluten Anspruch, jeden beliebigen Beruf ergreifen zu dürfen. Die Eingriffsmöglichkeiten werden unterteilt in:

  • objektive Berufs-Zulassungsschranken
  • subjektive Berufs-Zulassungsschranken
  • Berufsausübungsregelungen

Was sind objektive Berufs-Zulassungsschranken?

Die Berufsfreiheit erfasst grundsätzlich jeden Beruf, neben klassischen auch neuartige Tätigkeitsbereiche.
Die Berufsfreiheit erfasst grundsätzlich jeden Beruf, neben klassischen auch neuartige Tätigkeitsbereiche.
Objektive Schranken der Berufswahl sind solche, die dem Einfluss des Bewerbers entzogen sind, vor allem die Frage des Bedürfnisses nach einem bestimmten Beruf: So wird nur eine bestimmte Zahl von Taxi-Lizenzen vergeben, weil sich der Staat vorstellt, so den Markt regulieren zu müssen; ist dieses Kontingent erschöpft, erhält niemand mehr eine weitere Lizenz. Sind alle Stellen im Staatsdienst vergeben, kann kein weiterer Bewerber mehr eingestellt werden.

Daneben kommen auch Rahmenbedingungen in Betracht, die „erdrosselnd“ wirken und damit bestimmte Berufe uninteressant machen. Das wäre bspw. bei einer Verknüpfung mit besonders aufwändiger Bürokratie der Fall. Derartige Rahmenbedingungen werden aber äußerst selten erlassen, sogar hohe „lenkende“ Steuern erfüllen die Voraussetzungen meistens nicht.

Neben objektiven gibt es auch noch subjektive Zulassungsvoraussetzungen.

Was sind subjektive Berufs-Zulassungsschranken?

Das Erfordernis, bestimmte Prüfungen erfolgreich zu absolvieren, stellt in der Regel einen zulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.
Das Erfordernis, bestimmte Prüfungen erfolgreich zu absolvieren, stellt in der Regel einen zulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.
Diese Voraussetzungen für die Berufswahl sind solche, die vom Bewerber selbst abhängen. Hier geht es insbesondere um charakterliche Eigenschaften wie Zuverlässigkeit oder Würdigkeit, aber auch um erbrachte Leistungen und schulische Abschlüsse.

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber hier einen weiten Spielraum, welche Voraussetzungen er fordert und wie er dies begründet. Die Regelung muss nur sachlich gerechtfertigt sein.

Was sind Berufsausübungsregelungen?

Berufsausübungsregelungen legen die Modalitäten fest, unter denen ein bestimmter Beruf ausgeübt wird. Diese können sowohl objektiv als auch subjektiv sein. In der Regel erhalten diese Regelungen Verbote bestimmter Handlungen (z.B. unsachliche Werbung durch Anwälte) oder geben einen gewissen Rahmen (z.B. Ladenschlusszeiten) vor.

Was ist eine objektiv berufsregelnde Tendenz?

Eine Norm hat dann objektiv berufsregelnde Tendenz, wenn sie zwar nicht zielgerichtet die Berufsausübung regeln soll, aber einen Einfluss auf den Beruf hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert oder in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit steht.

Kann die Aufstellung von Schranken für die Berufsfreiheit auch übertragen werden?

Ja, innerhalb gewisser Grenzen schon.

Der Staat kann insbesondere die Zulassung zu einem Beruf und die Überwachung der Berufstätigen auf andere Stellen übertragen, bspw. auch die berufsständischen Kammer (Rechtsanwaltskammer, Ärztekammer, Architektenkammer usw.). Allerdings müssen dabei die wesentlichen Grundentscheidungen, die die Berufsfreiheit betreffen, durch den Gesetzgeber selbst getroffen werden.

Was ist die negative Berufsfreiheit?

Als negative Berufsfreiheit bezeichnet man das Recht, keinen Beruf zu ergreifen oder einen ausgeübten Beruf aufzugeben.

Wann sind Eingriffe in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt?

Grundsätzlich braucht es schon einmal eines formellen (Parlaments-) Gesetzes, um die Berufsfreiheit einzuschränken. Bloße Satzungen oder Berufsordnungen reichen hierfür nicht.

Der Eingriff muss zudem einen legitimen Zweck verfolgen, in der Praxis ist dies meist die Qualitätssicherung. Hierfür muss der Eingriff aber auch tatsächlich geeignet und zudem notwendig sein. Notwendig ist ein Eingriff dann, wenn das Ziel nicht durch andere, mildere (weniger belastende) Maßnahmen erreicht werden kann.

Ob der Eingriff auch verhältnismäßig ist, bemisst sich daran, auf welcher Stufe er sich befindet. Im Einzelnen wird differenziert:

  • Berufsausübungsregelungen müssen zweckmäßig sein und entweder die Allgemeinheit oder des Berufsstand schützen.
  • Subjektive Zulassungsvoraussetzungen müssen Gefahren doer Schäden von der Allgemeinheit abwenden oder verhindern, dass der Beruf in unsachgemäßer Weise ausgeübt wird.
  • Objektive Zulassungsvoraussetzungen müssen höchstwahrscheinliche oder sichere schwere Gefahren von wichtigen Gemeinschaftsgütern abwenden.

Ist ein Numerus clausus zulässig?

Ja, aber nur in engen Grenzen.

Als Numerus clausus bezeichnet man Zulassungsschranken für bestimmte Studiengänge. Meist sind sie an der Abiturnote orientiert. Darin liegt grundsätzlich ein Eingriff in die Berufsfreiheit.

Zulässig ist dieser Eingriff aber, wenn
dadurch die Funktionsfähigkeit der Hochschulen gesichert werden soll,
die Ausbildungskapazitäten erschöpfend genutzt werden und
jeder Bewerber die grundsätzliche Chance hat, einen Ausbildungsplatz zu erhalten.

Mehr Informationen:

Bitte bewerten Sie diese Seite.
[Stimmen: 7 Wertung: 4.9]