Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG)

(Letzte Aktualisierung: 20.08.2021)

Artikel 4 des Grundgesetzes schützt die Freiheit von Religion, Weltanschauung, Glauben und Gewissen. Es handelt sich also um einen umfassenden Schutz der persönlichen Weltsicht. Dazu gehört auch die Ausübung seines Glaubens, bspw. durch rituelle Handlungen, alleine oder in Gemeinschaft.

Dies bedeutet zum einen, dass der Staat dem Bürger nicht untersagen kann, bestimmte Überzeugungen zu haben. Dies wird in aller Regel aber auch nicht versucht. Konflikte gibt es jedoch, wenn staatliche Normen mit religiösen Vorschriften kollidieren und sich Personen so daran gehindert sehen, nach ihrem Glauben und Gewissne zu leben.

Allgemeines

Wo steht die Religionsfreiheit im Grundgesetz?

Art. 4 Abs. 1 GG sagt:

Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

Diese Freiheit bedeutet nicht nur, dass man glauben darf, was man für richtig hält, sondern auch eine umfassende Äußerungs- und Handlungsfreiheit. Die Religionsausübung wird in Abs. 2 noch einmal gesondert genannt.

Was ist der Unterschied zwischen Religion und Weltanschauung?

Unter Weltanschauung versteht man gemeinhin die Sicht auf die Welt als solche, also auf die Ordnung der Welt und auf die Abläufe der Natur und der Gesellschaft. Daraus ergibt sich dann eine persönliche Lebens- und Werteordnung.

Die Religion beinhaltet demgemäß zwingendermaßen eine Weltanschauung, ist aber noch mehr, indem sie eine über den Menschen und die Welt hinausgehende („transzendente“) Wahrheit zugrunde legt. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Gottes- oder Schöpfervorstellung.

Sind auch politische Überzeugungen eine Weltanschauung?

Nein, politische Anschauungen werden nicht als Ausprägung der Weltanschauung angesehen. Das schließt freilich nicht aus, dass sich politische Forderungen aus einer bestimmten Weltanschauung herleiten können.

Was ist eine Religion bzw. Religionsgemeinschaft?

Wann ein Zusammenschluss eine Religionsgemeinschaft ist, ist nicht allgemein zu beantworten.

Grundsätzlich ist eine gewisse Ernsthaftigkeit und auch eine wissenschaftliche Betrachtung der religiösen Überzeugungen notwendig. Die Überzeugungen müssen in sich geschlossen und konsistent sein, eine bruchstückhafte Ansammlung von Einzelweisheiten reicht also nicht.

Ein gewisses traditionelles Element, dass also die Religion nicht einfach „ausgedacht“ ist, wird in der Regel ebenfalls zu fordern sein. Dies darf aber nicht so weit gehen, dass jeder neuen Religion per se die Anerkennung verweigert wird.

Eine rein wirtschaftliche Betätigung spricht gegen das Vorliegen einer Religion. Kein Kriterium ist dagegen die Mitgliederzahl.

Dürfen sich Kirchen auch dann auf die Glaubensfreiheit berufen, wenn sie Körperschaft des öffentlichen Rechts sind?

Die Glaubensfreiheit steht auch den Kirchen als Institutionen zu.
Die Glaubensfreiheit steht auch den Kirchen als Institutionen zu.
Kirchen sind regelmäßig gemäß Art. 140 GG, Art. 137 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts. Somit sind sie eigentlich Teil des Staates und grundrechtsverpflichtet, nicht aber grundrechtsberechtigt.

Hiervon wird für die Kirchen aber gewohnheitsrechtlich eine Ausnahme gemacht. Sie können sich also auf ihre Grundrechte berufen und sind innerhalb ihres religiösen Kernauftrags nicht an die Grundrechte gebunden.

Was ist die kollektive Glaubensfreiheit?

Kollektive Glaubensfreiheit ist das Recht einzelner Personen, als Gruppe (z.B. Kirchengemeinschaft) von der Glaubensfreiheit Gebrauch zu machen. Eine Kirche kann sich also auf die Glaubensfreiheit ihrer Mitglieder berufen und muss nicht als Organisation eigene Grundrechte haben.

Was umfasst die Glaubensfreiheit?

Zur Glaubensfreiheit gehört das Recht, einen Glauben zu bilden, diesen zu haben, ihn zu äußern und dem Glauben entsprechend zu handeln.

Was ist der grundrechtlich geschützte Glaube?

Jede Art von Glauben bezüglich des Wesens von Welt und Mensch ist geschützt, egal ob dieser religiös oder areligiös ist.

Handelt es sich bei Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 um verschiedene Grundrechte?

Nein, diese stellen ein einheitliches Grundrecht der Glaubensfreiheit dar. Unterschiede zwischen Religion und Weltanschauung werden insoweit nicht gemacht.

Müssen Glaubensgruppen und Religionsgemeinschaften juristische Personen sein, um sich auf die Religionsfreiheit berufen zu können?

Nein, Art. 4 ist insoweit als Kollektivgrundrecht konzipiert. Die Glaubensfreiheit der einzelnen Mitglieder wirkt auch für die Glaubensgemeinschaft, ohne dass es auf ihre organisatorische Struktur ankommt.

Was gehört alles zur Religionsausübung?

Zur Religionsausübung werden generell die Verkündung und Vermittlung des Glaubens sowie die Pflege und Förderung des Bekenntnisses gezählt. Maßstab dafür ist das Selbstverständnis der Religion, diese legt also grundsätzlich selbst fest, welche Handlungen es bspw. für Pflege des Bekenntnisses für notwendig hält. Eine abschließende Auflistung ist nicht möglich.

Zur Religionsausübung gehören unter anderem Gottesdienste, Gebete, kultische Handlungen, Seelsorge und Beistandsleistung, Geldsammlungen, Prozessionen, das Begehen von Feier- und Gedenktagen, festlicher Schmuck, besondere Bekleidung, das Glockenläuten, religiöse Erziehung, Missionierung, die Einhaltung von Speisevorschriften.

Nicht zur Religionsausübung gehören dagegen das Zwingen anderer Personen zur Teilnahme an der eigenen Religionsausübung oder das Verhindern fremder Religionsausübung, das Stören von als unmoralisch empfundenen Tätigkeiten anderer Personen sowie die Begehung von allgemein verbotenen Handlungen wie Straftaten.

Darf der Staat vor bestimmten Religionen warnen?

Das kommt darauf an. Grundsätzlich wird man in solchen Warnungen einen Eingriff in die Religionsfreiheit der Religionsgemeinschaft sehen müssen. Denn die Warnung soll ja gerade Bürger dazu bringen, ihren Beitritt zu der Gemeinschaft zu überdenken und gegebenenfalls davon abzusehen.

Zugleich können solche Warnungen aber gerechtfertigt sein, wenn sie dazu dienen, den einzelnen vor überstürzten oder eigentlich nicht gewollten Entscheidungen zu schützen. Regelmäßig wird daher der Einzelfall genau zu betrachten sein, insbesondere die Formulierung und sachliche Richtigkeit der Warnung sowie die betroffenen Rechtsgüter und die Gefahren für den einzelnen und die Gesellschaft.

Stellt der Sexualkundeunterricht einen Eingriff in die Glaubensfreiheit dar?

Der schulische Sexualkundeunterricht kann mit religiösen Überzeugungen der Eltern kollidieren.
Der schulische Sexualkundeunterricht kann mit religiösen Überzeugungen der Eltern kollidieren.
Unter Umständen ja, dieser Eingriff ist aber meist durch staatliche Erziehungsziele gerechtfertigt. Eine vollständige Befreiung vom Aufklärungsunterricht erfordert die Darlegung einer besonderen individuellen Beeinträchtigung.

Siehe auch: VG Münster, Urteil vom 08.05.2015, 1 K 1752/13

Erlaubt die Glaubensfreiheit auch Straftaten?

Unter Umständen kann die Glaubensfreiheit dazu führen, dass Handlungen gerechtfertigt oder entschuldigt sind, zu denen sich der Täter aufgrund seines Glaubens oder Gewissens verpflichtet fühlte. Dies kann aber immer nur ultima ratio sein und die Voraussetzungen dafür sind extrem hoch.

Was ist das Gewissen?

Als Gewissen bezeichnet man innere Überzeugungen davon, was richtig und falsch oder gut und böse ist. Es ist nicht notwendig, dass das Gewissen aus einem größeren Glaubenssystem wie Religion oder Weltanschauung entspringt.

Entbindet die Gewissensfreiheit von gesetzlichen Pflichten?

Das kann grundsätzlich der Fall sein, sofern der Gewissenskonflikt so bedeutend ist, dass dem Betroffenen eine Handlung im gesetzlichen Rahmen nicht mehr zumutbar ist. Notwendig dafür ist aber mehr als die bloße Überzeugung, dass die gesetzliche Norm „falsch“ ist. Denn ansonsten könnte der einzelne die gesamte Rechtsordnung zur Disposition stellen und seinen Anschauungen unterordnen.

Wer sich auf einen Gewissenskonflikt beruft, muss diesen als ernsthaft darlegen. Dazu gehört eine konkrete, substantiierte und objektiv nachvollziehbare Erklärung des Glaubenssystems, in dem er sich bewegt. Zudem muss überzeugend erläutert werden, dass es keine Möglichkeit gibt, dem Konflikt zwischen Gesetz und Gewissen auszuweichen.

Nicht von der Gewissensfreiheit gedeckt sieht die Rechtsprechung unter anderem folgende Handlungen:

  • Schwangerschaftsabbruch
  • Verweigerung der Zahlung von Steuern
  • Gewährung von Kirchenasyl

Auf die Gewissensfreiheit kann man sich dagegen in diesen Situationen berufen:

  • Nichtmitwirkung an Abtreibungen
  • Verweigerung der Durchführung von Tierversuchen im Studium, sofern die Kenntnisse auch anderweitig
  • erworben werden können

Wo steht das Recht, ein Kind vom Religionsunterricht abzumelden, im Grundgesetz?

Art. 7 Abs. 2 GG sieht vor:

Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

Damit handelt es sich um einen Unterfall der Religionsfreiheit. Kein Kind soll gegen den Willen seiner Eltern über Glaubensinhalte unterrichtet werden. Zulässig ist es aber, stattdessen einen verpflichtenden Ethikunterricht anzubieten.

Was gehört zur negativen Glaubensfreiheit?

Zur negativen Glaubensfreiheit gehört, dass sich der Einzelne nicht durch den Staat mit einem Glauben, den er nicht teilt, konfrontieren lassen muss.

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