Computergrundrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG)

(Letzte Aktualisierung: 05.09.2021)

Das Computergrundrecht ist in mehrerer Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen handelt es sich, wie man schon am Namen unschwer erkennen kann, um ein neueres Grundrecht. Zum anderen wurde es nicht vom Verfassungsgeber selbst erschaffen, sondern geht auf eine gerichtliche Entscheidung zurück. Und schließlich behandelt es auch nur einen ganz engen Anwendungsbereich, nämlich die „Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. In diesem Bereich wiederum gab und gibt es bereits verschiedene nicht ganz so spezielle Grundrechte, die dem Computergrundrecht in den meisten Fragen vorgehen.

Dementsprechend hat dieses Grundrecht noch keine große Bedeutung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erlangt. Im Rahmen des weiteren technischen Fortschritts wird das Computergrundrecht aber immer wieder zu beachten sein und somit in verschiedener Hinsicht weitere Bedeutung genießen.

Grundrecht

Was umfasst das Computergrundrecht?

Computer sind im Alltag so bedeutend geworden, dass das Bundesverfassungsgericht ein eigenes Grundrecht für den Umgang mit ihnen "erfunden" hat.
Computer sind im Alltag so bedeutend geworden, dass das Bundesverfassungsgericht ein eigenes Grundrecht für den Umgang mit ihnen „erfunden“ hat.
Das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 abgeleitete Computergrundrecht („Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“) schließt Schutzlücken des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, ist diesem gegenüber also subsidiär (nachrangig).

Es schützt informationstechnische Systeme, die Daten enthalten können, die einen Einblick in wesentliche Teile des Lebensgestaltung oder der Persönlichkeit eines Menschen gewähren können. Der Staat darf auf diese Systeme nicht so zugreifen, dass Leistungen, Funktionen und Speicherinhalte durch Dritte (insb. durch den Staat selbst) genutzt werden können. Geschützt werden also elektronische Geräte gegen Ausspähung, Überwachung und Manipulation.

Was ist ein Computer im Sinne des Computergrundrechts?

Der Begriff ist sehr weit zu verstehen.

Der Name des Grundrechts spricht ja eigentlich nicht von Computern (das ist lediglich ein verkürzter Begriff), sondern von „informationstechnischen Systemen“. Darunter muss man wohl jede IT-Anlage fassen. Natürlich gehören dazu Laptops und Desktop-PCs im klassischen Sinne. Aufgrund der heutigen Verwendungsmöglichkeiten sind ohne Zweifel auch Mobiltelephone (jedenfalls Smartphones) geschützt, ebenso wie Serveranlagen, Großrechner und Ähnliches.

Entscheidend ist, dass es sich um ein elektronisches System handelt, das Informationen speichert oder verarbeitet und dem man deswegen seine Daten anvertraut. Dementsprechend wird man auch künftige Formen von elektronischen Geräten als Computer im Sinne dieses Grundrechts sehen müssen.

Kein Computer wäre dagegen eine Schreibmaschine, eine Adressenkartei auf Papier oder ein klassisches Festnetztelephon.

Wann liegt ein Eingriff in das Computergrundrecht vor?

Ein Eingriff in das Computergrundrecht („Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“) liegt vor allem dann vor, wenn elektronische Systeme ausgespäht oder manipuliert werden. Typische Fälle sind die Installation von Überwachungsprogrammen („Bundestrojaner“) sowie die Sabotage von Rechenanlagen.

Wann ist ein Eingriff in das Computergrundrecht gerechtfertigt?

Wie in alle Grundrechte kann auch in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme eingegriffen werden. Der Staat muss dabei nur gewisse Regularien für diese Eingriffe beachten und braucht ein (Parlaments-) Gesetz, das diese Eingriffe erlaubt.

Der Staat unter bestimmten Voraussetzungen in die Computer der Bürger eindringen oder diese auf andere Weise ausspionieren.
Der Staat unter bestimmten Voraussetzungen in die Computer der Bürger eindringen oder diese auf andere Weise ausspionieren.
Voraussetzung für einen Eingriff sind Anhaltspunkte für eine Gefährdung „überragend wichtiger Rechtsgüter“, darunter Leib und Leben von Menschen, aber auch „die Grundlagen oder der Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen“. Es muss noch kein Schaden eingetreten sein und die Gefahr muss auch noch nicht akut sein, es reicht, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt.

Damit sind die Voraussetzungen natürlich sehr weit, ein Eingriff wird häufig gerechtfertigt sein.

In formeller Hinsicht bedarf der Eingriff noch eine richterliche Anordnung. Dies ist bei vielen Ermittlungsmaßnahmen so, z.B. bei der Telekommunikationsüberwachung oder auch bei altmodischen Hausdurchsuchungen. Dass der Ermittlungsrichter einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft ablehnt, passiert allerdings äußerst selten.

Insgesamt muss man daher sagen, dass es aus Sicht des Bürgers zwar ganz schön ist, dass das Bundesverfassungsgericht ein solches Grundrecht kreiert hat. Man darf sich aber keine großen Illusionen dahingehend machen, dass dieses Grundrecht den Staat effektiv aus dem eigenen Computer verbannt.

Kann eine Verletzung des Computergrundrechts geltend gemacht werden, bevor die Maßnahme stattfindet?

Nein, das ist fast ausnahmslos unmöglich. Eine solche Ausspähung oder Manipulation eines Computer wird fast immer ohne Anhörung des Betroffenen stattfinden, da dieser ansonsten Vorsichtsmaßnahmen treffen, sich bspw. einen neuen Computer zulegen oder eine andere Internetverbindung nutzen würde. Daher erfährt man in aller Regel erst von den Maßnahmen, wenn sie schon vollzogen sind. Bei der Anordnung dieser Maßnahmen muss der Richter natürlich von sich aus das Computergrundrecht berücksichtigen.

Sollte man ausnahmsweise einmal vorher davon erfahren, steht der allgemeine Rechtsweg wie gegen alle richterlichen Maßnahmen offen. Insoweit kann man sich auch auf dieses Grundrecht berufen.

Kann eine Verletzung des Computergrundrechts geltend gemacht werden, nachdem die Maßnahme vollzogen wurde?

Ja, wie alle Ermittlungsmaßnahmen können auch solche „Online-Durchsuchungen“ und ähnliche Maßnahmen gerichtlich überprüft werden. Die dann mögliche Feststellung, dass diese Maßnahmen rechtswidrig war, ist freilich nur noch ein geringer Trost. In einem solche Verfahren muss das Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung überprüfen und dabei auch das Computergrundrecht beachten.

Macht das Computergrundrecht Online-Durchsuchungen schwerer?

Oben wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen, eine Online-Durchsuchung anzuordnen, trotz des Computergrundrechts nicht besonders hoch sind. Sie wären aber ohne dieses „erfundene“ Grundrecht möglicherweise noch niedriger. Denn dann wären nur ganz allgemeine Grundrechte wie die Handlungsfreiheit oder das Eigentumsgrundrecht betroffen. Da diese Grundrechte nicht spezifisch auf den Sachverhalt einer Online-Durchsuchung zugeschnitten sind, wird man relativ schnell zu dem Ergebnis kommen, dass der Eingriff darin im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen gerechtfertigt ist. Denn hinter dem staatlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung hätten diese Grundrechte nicht viel entgegenzusetzen.

Dieses Grundrecht ist aber nun genau auf solche Fälle zugeschnitten. Jedes Gericht muss also genau die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu verinnerlichen und als Maßstab an den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt anlegen. Das Gericht muss begründen, warum die erwähnten „überragend wichtigen Rechtsgüter“ gefährdet sind. Gibt die Begründung der Entscheidung dies nicht her, ist das ein Anhaltspunkt dafür, dass die Voraussetzungen des Verfassungsrechts nicht vorliegen.

Welche Fehler kann ein Gericht beim Computergrundrecht machen?

Der Hauptfehler bei der Begründung der Voraussetzungen eines Eingriffs dürfte das Nichtvorliegen einer Gefährdung überragend wichtiger Rechtsgüter sein.

Dabei kann das Gericht vor alle zwei Fehler machen:

  • Verkennung des Maßstabs – Das Gericht nimmt z.B. an, dass es eine Online-Durchsuchung schon bei jedem Verdacht einer leichten Straftat anordnen dürfe.
  • Subsumtionsfehler – Das Gericht weiß zwar, dass es die erwähnten wichtigen Rechtsgüter für eine Anordnung braucht, es nimmt aber an, dass eine tatsächlich leichte Straftat (z.B. die Beleidigung eines Politikers) auch schon darunter fällt.

Daneben sind auch – regelmäßig schwerer zu beurteilende – Verhältnismäßigkeitsfehler denkbar. Denn auch beim tatsächlichen Vorliegen einer Gefährdung überragend wichtiger Rechtsgüter muss noch immer eine Abwägung zwischen dem Ermittlungsinteresse des Staates und dem Vertraulichkeitsinteresse des Bürgers stattfinden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob das Ziel nicht auch durch andere, weniger eingreifende Maßnahmen erreicht werden kann. Fehlt hier jede Überlegung dazu, ist eine Grundrechtsverletzung zumindest denkbar.

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