Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 GG)

(Letzte Aktualisierung: 04.09.2021)

Die Staatsangehörigkeit ist die Verbindung einer Person zu einem bestimmten Staat. Die Gesamtheit der Staatsbürger macht das Staatsvolk aus, das Träger der Staatsgewalt des Staates ist und bspw. auch die Verfassungsorgane des Staates wählt.

Die Verbindung des Staatsbürgers zum Staat ist dabei eine rein juristische. Weder muss der Bürger im Staat leben noch muss er irgendeine Loyalität oder persönliche emotionale Verbindung zum Staat fühlen.

Anhand der Staatsbürgerschaft wird gemeinhin zwischen In- und Ausländern unterschieden. Die Inländer haben meist besondere Rechte, insbesondere können Inländern normalerweise nicht aus „ihrem“ Staat ausgewiesen werden. Daher bedarf die Staatsangehörigkeit auch eines besonderen Schutzes, zumal sich Diktaturen gerne des Mittels der Ausbürgerung bedienen, um unerwünschte Personen (wie Oppositionelle) „loszuwerden“.

In Deutschland hat die Staatsangehörigkeit auch eine historische Dimension, zum einen wegen der Ausbürgerungen in der DDR und im NS-Regime, zum anderen aber auch wegen der hochpolitischen Frage, welchen Einfluss die deutsche Teilung auf die deutsche Staatsbürgerschaft hatte.

Staatsangehörigkeit

Wo steht das Ausbürgerungsverbot im Grundgesetz?

Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG sagt:

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.

Deutsche Bürger sind durch das Grundgesetz gegen Ausbürgerung geschützt.
Deutsche Bürger sind durch das Grundgesetz gegen Ausbürgerung geschützt.
Damit sind politische Ausbürgerungen, wie sie in totalitären Staaten vorkommen, im Verfassungssystem des Grundgesetzes nicht erlaubt. Ein Verlust der Staatsangehörigkeit kann nur aufgrund eines allgemeinen und an sachliche Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfendes Gesetzes geschehen.

Wer ist Deutscher im Sinne des Grundgesetzes?

Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Diese wiederum ergibt sich aus Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), das bis zum Jahr 2000 noch anachronistisch „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ (RuStAG) hieß.

Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes legt noch die Definition fest, wonach auch Vertriebene ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die im früheren Reichsgebiet Aufnahme gefunden haben, Deutsche sind:

Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

Diese Regelung hat heute praktisch keine Bedeutung mehr, da die betreffenden Personen fast ausnahmslos eingebürgert wurden.

Verbürgt Art. 16 GG einen Anspruch auf Einbürgerung?

Nein, diese Vorschrift schützt nur gegen den Entzug der (bereits bestehenden) deutschen Staatsbürgerschaft. Ein Recht darauf, diese zu erwerben, gewährt dieses Grundrecht aber nicht. Sind jedoch die Voraussetzungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes erfüllt, ergibt sich ein Anspruch aus dem einfachen Recht. Wird die Einbürgerung dennoch verweigert, kann dies einen Verstoß gegen die Gesetzesbindung der Verwaltung und des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen.

Kann eine erschlichene Einbürgerung aufgehoben werden?

Wird die Einbürgerung durch Täuschung erschlichen, kann diese wieder aufgehoben werden.
Wird die Einbürgerung durch Täuschung erschlichen, kann diese wieder aufgehoben werden.
Macht jemand im Einbürgerungsverfahren falsche Angaben die zur unrechtmäßigen Verleihung der Staatsangehörigen führen, ist die Einbürgerung trotzdem gültig. Es stellt sich dann die Frage, ob dies rückgängig gemacht werden kann oder Art. 16 Abs. 1 GG entgegen steht.

Da das Staatsangehörigkeitsgesetz die Möglichkeit des Entzuges vorsieht (§ 35 StAG), erfolgt diese auch auf gesetzlicher Grundlage.

Besteht eine Staatsangehörigkeit der Bundesländer?

Prinzipiell schon, da auch die Bundesländer Staaten sind. Die allermeisten Bundesländer sehen aber nirgends eine eigene Staatsangehörigkeit vor, sodass deren Existenz allenfalls als theoretisch einzustufen ist.

Praktisch werden in den Bundesländern alle deutschen Staatsbürger, die sich innerhalb des Landesgebiets aufhalten, als Inländer behandelt. Dies ergibt sich auch aus Art. 33 Abs. 1 GG:

Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

Bedeutsam ist dies insbesondere im Bezug auf das Wahlrecht auf kommunaler Ebene sowie zum Landtag.

Eine ausdrücklich normierte Staatsbürgerschaft gibt es nur in Bayern:

Artikel 6 der Bayerischen Verfassung sieht eine bayerische Staatsangehörigkeit vor und regelt zumindest im Groben den Erwerb dieser Staatsangehörigkeit. Das Nähere soll ein Gesetz regeln. Ein solches bayerisches Staatsangehörigkeitsgesetz, das die genauen Voraussetzungen und das Verfahren der Einbürgerung vorschreiben würde, ist aber bis heute – entgegen dem Verfassungsauftrag – nicht erlassen worden.

Daher geht der Bayerische Verfassungsgerichtshof davon aus, dass die bayerische Staatsangehörigkeit zwar grundsätzlich besteht, es aber keine definitive Möglichkeit gibt, juristisch zu entscheiden, wer Staatsbürger ist und wer nicht.

Artikel 116 GG

Welche Bedeutung hat Art. 116 Abs. 1 GG?

Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt:

Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

Die Vorschrift trifft zweierlei Aussage:

  • Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Diese Aussage ist völlig unspektakulär und drückt nur Selbstverständliches aus.
  • Deutscher ist aber auch ein deutscher „Volkszugehöriger“, der vertrieben wurde. Diese Regelung ist hier das Entscheidende. Sie ist im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg zu sehen.

Wozu dient die „Volkszugehörigen“-Regelung?

Diese Volkszugehörigen- oder Vertriebenenregelung sollte Vertriebenen insbesondere in Osteuropa zugute kommen. Diese siedelten teilweise seit Jahrhunderten in diesen Ländern und sahen sich kulturell als Deutsche, besaßen aber die Staatsangehörigkeit der dortigen Länder (z.B. Donauschwaben in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie aus diesen Ländern vertrieben, Deutsche waren sie aber auch nicht – sie waren nun also völlig heimatlos.

Weil sich die Bundesrepublik aber weiterhin für diese Menschen verantwortlich fühlte, stellt man sie über Art. 116 Abs. 1 GG mit deutschen Staatsbürgern gleich.

Für Ehepartner und Nachkommen, die selbst nicht unter die Regelung fallen, also keine „Volkszugehörigen“ sind, gelten die Regelungen entsprechend.

Warum ist in Art. 116 Abs. 1 GG das Reichsgebiet erwähnt?

Weil man den Kreis der Betroffenen möglichst groß halten wollte. Es sollten grundsätzlich alle Betroffenen erfasst werden.

Allerdings auch nur die, die tatsächlich vertrieben wurden, darum war Voraussetzung, dass Sie irgendwo im damaligen Deutschen Reich Aufnahme gefunden haben. Diejenigen, die außerhalb des Staatsgebiet blieben, wurden anscheinend nicht vertrieben oder haben jedenfalls nicht gezeigt, dass sie ihre Zukunft in Deutschland sahen.

Waren DDR-Bürger Deutsche?

Ja.

Diese wurden unmittelbar als deutsche Staatsbürger gesehen, die Regelung des Art. 116 Abs. 1 GG brauchte es also nicht. Dass sie (aus Sicht der Bundesrepublik: derzeit) außerhalb des Einflussbereichs der westdeutschen Verfassungsorgane lebten, änderte hieran nichts.

Es gab aus Sicht der Bundesrepublik ausdrücklich keine Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik, sondern nur eine einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft.

Auch die spätere Einführung einer gesonderten DDR-Staatsbürgerschaft änderte aus Sicht der Bundesrepublik daran nichts. Nach der Wiedervereinigung wurden die DDR-Bürger daher auch nicht eingebürgert, sondern waren und blieben „Deutsche“.

Welche Bedeutung hat die Vertriebenen-Regelung aus Art. 116 Abs. 1 GG heute noch?

Praktisch keine. Alle davon betroffenen Personen sind mittlerweile – bis auf wenige Ausnahmen – eingebürgert worden.

Welchen Sinn hat Art. 116 Abs. 2 GG?

Art. 116 Abs. 2 GG besagt:
Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

Damit sollten Ausbürgerungen in der NS-Zeit rückgängig gemacht werden. Wer aus „politischen, rassischen oder religiösen Gründen“ die Staatsbürgerschaft verloren hatte, musste nur einen Antrag stellen und bekam sodann die Staatsbürgerschaft zurück. Ein Ermessen der Behörden gab es nicht („sind einzubürgern“).

Satz 2 geht dann noch weiter und erklärte die Ausbürgerung für wirkungslos („gelten als nicht ausgebürgert“), sofern der Betroffene nach dem Krieg wieder nach Deutschland gezogen ist.

Die Regelungen gelten entsprechend für die Nachkommen („Abkömmlinge“) dieser Personen.

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