(Letzte Aktualisierung: 17.09.2021)
Das Briefgeheimnis ist ein relativ altes Grundrecht. Schon früh hatten die Menschen ein Bedürfnis danach, sich schriftlich austauschen zu können, ohne dass sich der Staat einschaltet und die gesendeten Nachrichten mitliest.
Mit Aufkommen des Telephons als Fernkommunikationsmittel galt schnell Ähnliches. Auch hier sollte niemand vertrauliche Gespräche mithören oder mitschneiden können.
Zugleich hatte und hat der Staat aber auch ein Interesse daran, die Bürger dahin gehend zu überwachsen, dass keine illegalen Botschaften ausgetauscht werden oder kriminelle Aktivitäten vorbereitet werden.
Grundrecht
Wo steht das Briefgeheimnis im Grundgesetz?
Art. 10 Abs. 1 GG sagt:
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
Das Fernmeldegeheimnis umfasst grundsätzlich alle Mittel der Kommunikation, also auch Austausch per E-Mail oder sonst über das Internet. Die Unverletzlichkeit dieses Rechts wird aber durch den Gesetzesvorbehalt in Abs. 2 Satz 1 stark eingeschränkt.
Wann liegt ein Eingriff in Art. 10 GG vor?
Artikel 10 des Grundgesetzes schützt die Vertraulichkeit von Kommunikation jeder Art, insbesondere das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, aber eben auch neuartige Verständigungsmittel wie E-Mail oder Internetchats.
Ein Eingriff ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Staat die Inhalte der ausgetauschten Nachrichten zur Kenntnis nimmt. Auf eine Speicherung kommt es nicht an.
Darüber hinaus ist aber auch die Tatsache der Kommunikation an sich erfasst. Es geht den Staat nichts an, mit wem man überhaupt Kontakt hat. Bereits das Wissen darüber kann in die Privatsphäre eindringen, da es Verbindungen zwischen Personen offenbart.
Umstritten ist dagegen, wie sich dies bei sog. betriebsbedingten Maßnahmen verhält. Dazu gehört zum Beispiel das Sortieren von Briefen im Zustellzentrum oder die Überprüfung, ob Anrufe korrekt ankommen. Hier besteht ein Konflikt zwischen dem unverminderten Geheimhaltungsinteresse der Beteiligten und dem Bedürfnis der Kommunikationserbringer, die Zuverlässigkeit ihrer Dienste sicherzustellen.
Soweit die meisten Anbieter mittlerweile privatisiert sind, hat sich das Problem erledigt, da die Grundrechte hier ohnehin nicht einschlägig sind, da eben keine staatliche Maßnahme vorliegt. Bei (faktischen) Staatsmonopolisten wie der Post oder Telekom als Netzbetreiber sind die Grundrechte aber wohl weiterhin anwendbar.
Hier werden betriebsbedingte Maßnahmen teilweise schon gar nicht als Eingriff gesehen, sondern als Schutzbereichsbegrenzung. Das Kommunikationsgeheimnis besteht nur insoweit wie es tatsächlich technisch bestehen kann. Es ist denklogisch nicht möglich, dass die Post Briefe richtig zustellt, ohne auf Name und Anschrift des Empfängers zu schauen. Damit fällt ein solches Geheimnis von vornherein aus dem Schutzbereich.
Anders verhält es sich dagegen beim Installieren einer Fangschaltung. Will man belästigende anonyme Anrufe unterbinden, muss man herausfinden, wer anruft. Eine solche Fangschaltung richtet sich aber gegen alle Anrufer mit unterdrückter Nummer und legt damit deren Identität frei. Diese Maßnahme unterscheidet sich deutlich vom Briefesortieren. Eine Kommunikation ist auch ohne die Fangschaltung problemlos möglich, sie dient nur einseitigen Aufdeckungsinteressen. Damit handelt es sich um einen Eingriff gegenüber allen anonymen Anrufern, der einer verfassungsmäßigen Rechtfertigung bedarf.
Können sich auch Betreiber auf Art. 10 GG berufen?
Ja, soweit diese privatrechtlich organisiert sind.
Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis schützt in erster Linie die Nutzer dieser Kommunikationsmöglichkeiten, also den Sender und den Empfänger bzw. die Gesprächsteilnehmer.
Aber auch die Postdienstleister und die Telephonanbieter bzw. Netzbetreiber werden nach herrschender Meinung von diesem Grundrecht geschützt. Allerdings gilt dies nur dann, wenn es um ihre eigenen Rechte geht, sie können nicht stellvertretend für ihre Kunden deren Grundrechte in Anspruch nehmen. Außerdem sind diese Unternehmen nicht grundrechtsfähig, wenn sie noch Teil des Staates sind, also bspw. der Staat Mehrheitseigentümer ist.
Wann ist das Briefgeheimnis geschützt?
Nur während des Übertragungsvorgangs.
Das Briefgeheimnis schützt die Beteiligten in einer besonders anfälligen Situation: Der Sender gibt einen Brief auf und vertraut ihn so der Post an. Auf den weiteren Transport und die Auslieferung hat er keinen Einfluss. Er kann nur davon ausgehen, dass der Brief unbeschadet und vertraulich dem Empfänger zugestellt wird. In dieser Phase schützt ihn das Grundrecht aus Art. 10 GG.
Hat der Brief den Empfänger aber erreicht, ist das eingetreten, was er wollte: Die Nachricht wurde übermittelt. Nur gibt es also keinen Grund für einen verfassungsrechtlichen Schutz mehr, denn der Übertragungsvorgang ist abgeschlossen. Nun besteht nur noch das Risiko, dass der Empfänger den Brief aufbewahrt und er dann (absichtlich oder unabsichtlich) auch von anderen Personen gelesen wird. Dieses Risiko hat der Absender aber in Kauf genommen, als er sich für diese Kommunikation entschieden hat.
Was ist der Unterschied zwischen dem Brief- und dem Postgeheimnis?
Das Briefgeheimnis deckt nur die Kommunikation per Brief, das Postgeheimnis dagegen jede Form von Postsendung, also Pakete, Päckchen, Buchsendungen, Postwurfsendungen, altmodische Telegramme oder eben auch Briefe.
Das Postgeheimnis umfasst also auch das Briefgeheimnis, geht aber darüber noch deutlich hinaus. Daher wird das Briefgeheimnis häufig nicht mehr eigens genannt, sondern als Spezialfall des Postgeheimnisses ohne darüber hinaus gehende Schutzwirkung angesehen.
Was ist der Unterschied zwischen dem Post- und dem Fernmeldegeheimnis?
Beim Postgeheimnis geht es um gegenständliche Sendungen wie eben die erwähnten Briefe oder Pakete.
Beim Fernmeldegeheimnis werden dagegen Daten in elektronischer Form übermittelt.
Wird also bspw. eine Datei per E-Mail übersandt, fällt sie unter das Fernmeldegeheimnis. Wird sie dagegen auf einem USB-Stick gespeichert und dieser per Post geschickt, gehört die Sendung zum Postgeheimnis.
Was gehört zum Fernmeldegeheimnis?
Jede Art der Fernkommunikation.
Ursprünglich war das Fernmeldegeheimnis auf Telephongespräche („Fernsprecher“) beschränkt bzw. war genau dafür gedacht. Teilweise hat man den Übermittlungsvorgang von Telegrammen auch noch unter Fernmeldung gefasst.
Heute muss man diesen Begriff wohl deutlich weiter verstehen, sodass jede Telekommunikation geschützt ist. Gerade die Kontaktaufnahme über das Internet bringt es mit sich, dass die dabei erzeugten Daten im Netz vielerlei Eingriffen ausgesetzt sein können. Dies ist anders als bei der klassischen Telephonie, bei der die gesprochenen Worte sofort wieder verschwinden. Daher braucht es hier erst recht grundrechtlichen Schutz.
Wichtig ist aber, dass es sich um einen Kommuniktationsvorgang handeln muss, also dabei beteiligte Personen Nachrichten, Daten oder andere Informationen austauschen. Das bloße „Surfen“ ist dagegen nicht geschützt.
Schützt Art. 10 GG auch Internetchats?
Ja, denn Artikel 10 des Grundgesetzes umfasst jede Art von Kommunikation.
Allerdings muss man genau hinschauen: Art. 10 GG schützt nur den Kommunikationsvorgang, nicht die bereits abgeschlossene Kommunikation. Wenn also Kommunikationsbestandteile nicht mehr auf dem Weg zwischen den Beteiligten sind, sondern bereits stationär verkörpert wurden, sind sie keine Kommunikation mehr.
Im Falle von Chats bedeutet dies: Die auf dem Server des Chatbetreibers liegenden Daten fallen unter Artikel 100, nicht jedoch die lokal gespeicherten Chatprotokolle. Letztere können aber unter das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (auch als Computergrundrecht, Grundrecht auf digitale Intimsphäre oder IT-Grundrecht bezeichnet) fallen.
Wann ist ein Eingriff in diese Geheimnisse zulässig?
Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis steht unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG sagt dazu schlicht:
Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.
Diese Gesetze dürfen aber keine beliebige Einschränkung dieser Grundrechte anordnen, sondern dürfen nur wichtigen staatlichen Aufgaben dienen. Daher gehört insbesondere die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten.
Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist dagegen absolut geschützt und darf nicht überwacht werden.
Mehr Informationen:
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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden – Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) - Experteninformationen zu diesem Grundrecht finden Sie unter:
Ihr Anwalt für eine Verfassungsbeschwerde – Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) - anwalt.de: Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in der Verfassungsbeschwerde