Gibt es ein Grundrecht auf billiges Fliegen?

aircraft-3702676_1920In der Diskussion um eine CO2-Steuer und angeblich allgemein zu günstiges Reisen wird neuerdings eine Aussage sehr häufig bemüht: Es gebe kein Grundrecht auf preiswerte Flüge und auf billiges Benzin. Dieses Mantra wird von ökologisch beseelten Politikern bis in die Niederungen der Kommentatoren des staatlichen Fernsehens hinein immer wieder verbreitet.

Aber ist es tatsächlich so, dass das Grundgesetz Autofahrern und Flugpassagieren gar keinen Trost anzubieten vermag? Beginnen wir, weil es einfacher ist, mit den Teilen dieser Aussage, die richtig sind.

Kein spezifisches Grundrecht

Zunächst ist es so, dass es in einem freiheitlichen Grundrechtsverständnis, wie es auch der deutschen Verfassungstradition zugrunde liegt, überhaupt kein „Recht auf irgendetwas“ gibt. Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sie sind Ausprägungen des Rechts, in Ruhe gelassen zu werden. Leistungsrechte gibt es im Grundgesetz nur sehr selten, bspw. gibt es aus der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip ein Recht auf existenzsichernde Sozialleistungen. Ein Recht auf Flugtickets oder auf eine Tankfüllung mit Kraftstoff gibt es dagegen nicht.

Überhaupt äußert sich das Grundgesetz – von Kompetenzregelungen für Luft- und Straßenverkehr einmal abgesehen – nirgends ausdrücklich zu Flugreisen und Autofahrten. Grundrechte, die diese Bereiche explizit ansprechen würden, gibt es tatsächlich keine.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass diese Themen damit quasi außerhalb der Grundrechte stünden.

Allgemeine Handlungsfreiheit als umfassendes Grundrecht

Denn es gehört zur Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes, dass diese umfassenden Schutz gewähren. Neben den verschiedenen speziellen Grundrechten gibt es daher das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Dies wird sehr weit, nämlich im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit verstanden. Jedes Tun oder Unterlassen wird davon geschützt, auch die Benutzung eines Verkehrsmittels.

hammer-719061_1920Weil aber dieser Schutz so umfassend ist, ist er im Gegenzug nicht besonders intensiv. Jedes Gesetz kann in die allgemeine Handlungsfreiheit eingreifen. Der Staat kann also jede Handlung seiner Bürger verbieten, wenn er ein entsprechendes Gesetz erlässt. Dies gilt umso mehr, da Autofahrten und Flugreisen (noch) nicht ganz verboten werden, sondern nur höher besteuert werden sollen.

Auch darin liegt freilich ein Eingriff in die Handlungsfreiheit, zumal es hier ausdrücklich darum geht, Reisen zu verteuern und damit uninteressanter zu machen. Aufgrund der vielfältigen Handlungsmöglichkeiten des Staates muss es nicht immer ein ausdrückliches Verbot sein, es reicht schon, Anreize zu setzen, dass der Bürger sein Verhalten „freiwillig“ anpasst.

Steuer greift in Eigentum ein

Es gibt aber auch noch ein spezielleres Grundrecht, das hier eine Rolle spielt: Jede Besteuerung stellt einen Eingriff in das Eigentum dar. Denn der Bürger wird gezwungen, einen Teil seines Vermögens dazu einzusetzen, diese Steuer zu entrichten.

Nun setzt es das Grundgesetz als selbstverständlich voraus, dass es eine Steuerpflicht gibt. Es ist nun einmal das Lebenselixier eines Staates, seinen Bürgern das Geld wegzunehmen. Im Grundgesetz selbst wird dann nur noch geregelt, welche Steuern welcher staatlichen Ebene (Bund, Länder, Gemeinden) zustehen.

Daraus ergibt sich dann auch, dass Steuern ein zulässiger Eingriff in das Eigentum (Art. 14 GG) sind. Ihre Existenz bedarf dann auch keiner besonderen Begründung, außer der Tatsache, dass der Staat Geld braucht.

Grenzen der Besteuerung

calculator-1044172_1920Trotzdem muss der Staat aber bei der Erhebung jeder Steuer bestimmte Grenzen beachten. Zum einen gibt es kein unbegrenztes Steuerfindungsrecht. Zulässig sind nur die Steuertypen, die das Grundgesetz bereits kennt und in den Artikel 105 und 106 nennt. Der Staat darf sich zwar neue Ausformungen dieser Steuerarten einfallen lassen, aber keine neue Steuerart erfinden. Eine CO2-Steuer wäre wohl als neue Erscheinungsform der Verbrauchsteuern möglich.

Daneben gibt es aber noch inhaltliche Schranken, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt und zuletzt in seiner Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer näher ausgeführt hat. Diese umfassen folgende Gesichtspunkte:

  • Besteuerung nach Leistungsfähigkeit
  • folgerichtige Umsetzung einer einmal getroffenen steuerlichen Grundentscheidung
  • Lastengleichheit
  • Schutz des Existenzminimums
  • Verbot der Benachteiligung von Ehe und Familie
  • Verbot einer erdrosselnden Steuer
  • eigentumsschonende Besteuerung

Umsetzung müsste verfassungskonform erfolgen

All das müsste ein solches Gesetz also berücksichtigen und das würde das Bundesverfassungsgericht im Ernstfall überprüfen. Kommt das Gesetz dem nicht nach, würde es die Grundrechte des Steuerzahlers verletzen und wäre demnach verfassungswidrig und nichtig.

Es ist wohl durchaus möglich, eine neue CO2-Steuer (oder wie sie dann auch heißen mag) einzuführen, die sich an diesen Rahmen hält. Aber das ist etwas völlig anderes als das lapidare „Es gibt kein Grundrecht auf billiges Fliegen!“-Gerede.

Bitte bewerten Sie diese Seite.
[Stimmen: 19 Wertung: 4.8]